Schöne Aussichten
„Schöne Aussichten“, eine Sammlung urbaner Stilleben, habe ich um das Jahr 2003 im süddeutschen Raum fotografiert (etwa 35 Arbeiten).
Zu dieser Zeit hatte die Firma Agfa – genauer: AgfaPhoto, R. I. P. – einen farbstarken Film namens „Ultra Color 100“ im Programm. Die Buntheit dieses Films und die spezielle Abstimmung der Farben mochte ich sehr; ein paar „Ultra“-Schachteln steckten immer in meiner Fototasche.
Anfangs wollte ich nur herumspazieren und ultracolorige Bilder machen. Doch ich stellte fest, dass sich auf den Kontaktbögen Stück für Stück ein Zeitgeist-Mosaik zusammensetzte. Dem spürte ich dann – in Industriegebieten, auch allgemein in Städten – gezielt nach.
Die Teile dieses Mosaiks sind in jeder Stadt verstreut: ikonische Bilder, die Charisma verströmen sollen, aber nur hohl wirken; Parolen voller Zweckoptimismus; Signalwörter, die kollektive Begierden anstacheln („GOLD“). Lauter Platzhalter oberflächlicher Egoismen, die um den knappen Raum kämpfen.
Der leere Überschwang, die Gier und die Aggression dieser Zeichen-Geschwader spiegeln eine prekäre gesellschaftliche Verfasstheit, die sich jetzt, zehn Jahre später, weithin zu einer Krise verdichtet hat. „Alles super.“: eher nicht.